Anekdoten und Gedichte

Anekdoten und Gedichte aus Johannisberg und dem Rheingau

Geschichtchen rund um den Johannisberg...
     
Johannisberger Anekdote: Willy Kloos

Die wunnertätig Kerz

Es war vor sticker hunnert Jahr, ein Paar tritt vor den Traualtar, in Maiedahl do drause, wo Franziskaner sind zu Hause. Feierlich die Glocke klinge; in de Beem die Vöchel singe; ach, es war en Daach voll Freid für die junge Eheleit. De Pater hot so schee geredt, was alles in de Eh' mer deet; mer sollt in Lieb die Treu sich halte un christlich aach die Eh' gestalte-, un es würde sich auch frommen, daß übers Jahr die Kindlein kommen. Des junge Paar war aach gewillt, daß dieser Wunsch sich bald erfüllt. Der Pater, der im folgend Jahr bei dene oft zu Gaste war, un immer dann die Frage stellt wann de Nachwuchs werd bestellt. Des Jahr war rum, nix tat sich zeiche, des Fraache flennt zum Gotterweiche. "Wie Sie's gesaat, henn mir's gemacht, ei, mir übe jede Nacht; denn ich wünsch mir doch so sehr, daß ich bald guter Hoffnung wär." Den Pater rührt der Fra ihr'n Schmerz.
"Geht naus ins Kloster, steckt en Kerz, ko dünn - so dick wie'n Bohnestang, damit se brenne duht recht lang. Ich denk, wenn ehrlich ihr gewillt, sich baldigst euer Wunsch erfüllt!' Korz druff de Pater werd versetzt no Fulda - was en sichtlich schmerzt.

Die Jahr vergehn - so sticker sibbe, dann hats erneut ihn hergetribbe. Denn weil des Kloster schwach besetzt, hot mer en widder her versetzt. Bis Winkel gings jo noch per Bahn; weiter konnt er nit mehr fahrn. Un so wannelt er mit Muße hin nach Maiedahl zu Fuße. Uff dem Weg sei nächstes Ziel war dann erscht die Elstermühl, ,Hier war ich oft und gern zu Gast, da mache ich jetzt erst mal Rast. Will doch heute einmal sehn, wies meine junge Leilt, tut gehn, denen ich vor sieben Jahr den Segen gab am Traualtar.' Am Tor kimmt ihm en Kind entgeche und erbitt von ihm de Seche, rote Backe, blonde Haar un im höchste Fall drei Jahr. Dann kimmt hinne aus em Haus noch e goldig Bubche raus. Neigierig kumme dann ebei, nochemol Kinner, stücker zwei; hinne spielt am Wuzzestall noch en größern met em Ball. Ganz erstaunt fregt er des Kind, ob se dann all Geschwister sind? "Ei klar' seet's Bubche frei un stramm, "mir sein all von dem selbe Stamm.' "Und die Eltern, ach die Lieben, wo sind die denn abgeblieben?' Do meent de Bub, so leicht verstört: "So viel, des hun eich heit gehört, ich hab's abber nit ganz verstonne, was de Babba seht zur Momme: ,Schun werre hoste was gefonge: ich meene fünf, die däte longe, nix wie hie noh Maiedahl naus, heit blose mir die Kerz erscht aus."

 
     
Johannisberger Anekdote: Willy Kloos
Die Mönche von Johannisberg!

Die Mönche von Johannisberg, die liebten Glas und Teller. Des Klosters Kirchlein war sehr klein, doch groß des Klosters Keller. Sie zogen bessern Wein für sich, als je ein Erdenkönig. Sie beteten ja meist nicht viel, doch tranken sie nicht wenig.

Die Mönche von Johannisberg, die saßen selten trocken, die zogen an den Fässern mehr, als wie an Ihren Glocken. An Ihrem Keller ging die Tür, ohn' daß die Angeln gellten. Das Tor des Kirchleins knarrte sehr, doch hörten sie's nur selten.

Die Mönche von Johannisberg, fromm war'n sie in Gedanken. Sie pflanzten selber ihren Wein, den sie auch selber tranken. Uns sonderbar, sie prüften stets die Zahl der Fässer Weines und lachten während des Gebets, wenn's hundert war'n statt eines.

Die Mönche von Johannisberg verbüßten ihre Sünden und hieß es "für's gelobte Land" sie wußten's schnell zu finden. Zog dann an ihrem Tor vorbei, ein Pilger oder Streiter, sie segneten ihn kräftiglich, und tranken ruhig weiter.

Der Abt von Fulda war als Gast ins Kloster eingetreten und wie es ging zu Tisch, sprach er: "Laßt uns zu Gott erst beten" Da wurde bleich der Mönche Schar, es war ein Bild zum rühren, denn in den Taschen suchten sie vergebens nach Brevieren.

Da rief er: "Laßt das beten sein, wir wollen trinken, essen - doch meinen Stöpselzieher - weh, den hab' ich vergessen." Und wie er das gerufen, fing er lachend an zu wiehern, denn aus den Taschen fuhren all' heraus mit ihren Stöpselziehern.

Die Mönche von Johannisberg, die waren Glaubensfesten, denn jeder nahm sein Kreuz auf sich, das war ein Glas vom Besten. Das trank er aus und betete: "Herr schütze dieses Kloster, denn besser als aus trock'ner Kehl', klingt feucht das Paternoster"

Die Mönche von Johannisberg - sind tot; doch jeder merke: Gut ist's, daß ihnen nicht gefolgt, ins jenseits ihre Werke ! Noch wächst der Wein - wir trinken ihn, und denken lust'ger Seelen der Mönche von Johannisberg und ihrer durst'gen Kehlen.
 
     
Ora + Labora
Ora + Labora                     von Martin Freimuth Eine Wette in alter Zeit   Einem Mönch auf dem Johannisberg, dem schien sein Dasein überzwerch- denn nach St. Benediktur Regul, wollt' er nicht nur den Geist bewegen, er wollt' auch körperlich sich regen. Aus altem Rheingauer Bauerngeschlecht, schien ihm das Ding gut und gerecht: er hatte früher oft gemäht und denkt, daß er noch heut' gerät. Er geht sogar die Wette ein "Ein ganzer Morgen soll es sein, den leg' ich in vier Stunden hin! Und sagt nicht, daß ich säumig bin." Ein frischer Trunk soll Lohn ihm sein. Die Klosterbrüder stimmten ein - Dann wurde der Trunk mit viel Bedacht  und abführenden Kräutern zurechtgemacht. Nach erstem Schluck, so dachten alle, geht er uns sicher in die Falle- Und sollte ihm der Trunk gar schmecken, dann muß er häufig in die Hecken - und so versäumt er seine Zeit, mit seinem Mahn kommt er nicht weit.    

 

Gesagt - getan - er geht es an und stärkt sich weidlich dann und wann-- Die „Rührung" kommt ihn an recht bald, er strebt, zur Deckung, in den Wald. Das wiederholt sich häufig - heftig, die Wirkung war dann doch sehr deftig! Er denkt der Wette jetzt mit Graus und zieht zunächst die Hosen aus. Da ihn trotzdem die Kutte hindert, er ihre Länge rückwärts mindert und stopft sie unters Zingulum, man sieht: der Pater war nicht dumm. D e r Anblick nun, war wunderschön, weil hinten alles blank zu sehn und dazu auch noch - o malesse - von hochwürdig angestammter Blässe! Die Klosterbrüder, schadenfroh, ergötzt das Bild mit dem Popo, sie stürzen aus dem Wald herbei, zu fragen, w a n n er fertig sei? Der Pater drauf: "1 h r , liebe Brüder, übt Euer Recht - als Ordnungshüter? I h r s e h t e s - hier wird nicht gehuddelt: vorne werd gemäht un hinne gepuddelt!"

 
Johannisberger Anekdote: Willy Kloos

Wallfahrt nach Marienthal

In alte Zeite, wie heut' auch, war es doch ein alter Brauch, Wallfahrt nach Marienthal, was do hinne leit im Tal. Oma Theres', die nit feste, meinte da, es wär' des beste, weil' se' aach noch halber blind, soll's Fritzje, was ihr Enkelkind, sie auf der Pilgerfahrt der weite, nach Marienthal begleite. Fritzje wollt' nit, doch was nutzt es, Oma mit Gewalt ertrutzt es; schleppt des Bubche hin zum Ziele - Treffpunkt war die Elstermühle, wo versammelt sind viele Leut' ' die alle pilgern wolle' heut. Die Meßdiener 'mem Herrn Kaplan, stimme fromme Lieder an. Des Fritzje hot en Wut im Bauch, weil es heut' soll pilgern auch. "Zur Mutter der Gnaden ziehen wir hin" tönt's durch stille Tal dahin. Dann wird wieder gebet' und 'mem selben Gesang zieht man weiter das Tal entlang. Weil's Fritzje die Oma als zerrn tut un 'robbt, hat 'em die 'mem Gebetbuch uff de Wersching gekloppt. Ruh' werd gehalle un' willste jetzt bete, sonst muß ich am End' vor die Hos' Dir noch trete! Des Bubche' ist zornig und wird dann ganz still, zur Mutter der Gnaden er einfach nit will. Da sagt er zur Oma, die immer noch grollt, die Mutter der Gnaden, ei Oma ich wollt' - mir ebe die Idee so kaam des Fraasche in Maidal, is vielleicht gar nit dahaam ?

 

     
Johannisberger Anekdote: Willy Kloos

Ein Original

Johannisberg hat Originale hervorgebracht in Massen,
es täuschet oft die rauhe Schale, das muß der Neid ihm lassen.
Ein Schelm, der einstmals gut bekannt, mit Namen Martin ward genannt.
Er pilgert einstens zur Oktav nach Marienthal - ganz brav,
wo er von Sünden sich erleichtert und dem frommen Pater beichtet.
Die Buße tut ihn sichtlich freue, der Pater sagt: Drei Lita Naien.

So wandelt er vom Ort dem Stillen, um die Buße zu erfüllen hin zur Schleifmühl - dem Lokal, dort trifft er Sünder ohne Zahl.
Kurzer Rede langer Sinn, lang zieht sich die Buße hin, drei Lita Naien sind viel Zeich - um Mitternacht, do merkt er's gleich,
ganz allein auf weiter Flur - wie komm' ich denn nach Hause nur? Die Wirtin wär' ihn gern geweiht, erklärt aach hordisch sich bereit,
ein Taxi, des is' schnell gerufe, do tat der Martin rückwärts hufe.

Hör mer uff met dene Bosse, noch nie hun ich mich haam fahr'n losse !
Doch es nutzt nix - des Geschrei, des Taxi des kam schnell herbei;
der Wirtin tat er seelig -,vinke, lässt müd´ sich in die Polster sinke,
ab geht die Fahrt - und ei der Daus, schunn steht die Kaross' vor seinem Haus.

Do wird der Martin wieder wach, denn bezahle soll er aach.
Nun, was krieste dann, Du Oos ? Ei, Du bist Dei Geld gleich los,
vier Mark geb' rner' - und des iss billig !
Er zückt sein Portemonnaie - ganz willig,
reicht ihr´n Zwei-Mark-Stück - voller Huld.
Vier Mark, mein Lieber, sinn Dei Schuld !
Do meent der Martin ganz verstockt,
Du host jo aach met drin gehockt !

 

Johannisberger Anekdote:

Mit dem 1. Preis ausgezeichnetes Gedicht aus einem Abonnenten Wettbewerb des "Lokal-Anzeigers"

Die Glocke auf dem Johannisberg Auf luftiger Höhe In des Rheinstromes Nähe, Wie eine Rheingauer Krone Hoch im Turme ich wohne; Zu meinen Füßen die Klaus Hier Vollrads und Graues Haus - Den Blick heut in die Vergangenheit tauche Hoch zu mir Dein geistiges Auge!

denn: Es wechselt das Schicksal, dies wechselt den Ort, Es lehrt die Geschichte, ein tröstliches Wort: 'Der wird Überwunden, dein Lebensmut fehlt, Der Mut'ge im Kampf erst, die Kräfte sich stählt." "Hab drum festen Glauben" - so sagt Dir mein Schlag "Laß Dich nicht beirren" - dann komme was mag.

- 12tes Jahrhundert.
Aus grauen Nebeln ein Bild man jetzt schaut,
Auf Johannisberg wurde ein Kloster gebaut; Als dann nach einer kurzen Pause, Am Fuße des Berges erstand die Klause. Daß frommen Pilgern ein Ziel und ein Ort Hoch schlagen die Herzen bei Gottes Wort.

- 15tes Jahrhundert.
Am Klingelbache der Grund dazumal, Nicht weit das liebe Marienthal; St. Bartholomä mit dem Land´shaingerichte: Dies wachet, daß man nicht frevelnd vernichte, Ein Leben, ein Eigentum, Recht oder Stand; Hoch vom Felsen ruft man den Wahlspruch in's Land.

-16tes Jahrhundert.
Von Mainz her wird Gutenberg's Nahm´ jetzt genannt,
Erfinder der Kunst, als die Schwarze bekannt;
Die bewegliche Letter, der EinzeIbuchstab,
Verliert der Erfinder dabei auch sein Hab,
"Der Name wird leben, wo druckt man und liest"
Auch Johannisberg selbst, großen Segen genießt.   - 17tesjahrhtindert.
Nun kamen die Schweden, die Hessen, die Pest;
Dann Schweden als Landesherrn, die nahmen den Rest.
Franzosen, Waimarer, morsch war das Gebück;
Doch endlich kam Friede, der von Rymyk.
Verarmt, ausgesogen, von Freund und vom Feind,
O Rheingau, dich hat auch das Unglück geeint!

-19tes Jahrhundert.
An die Nassauer Fürsten der Rheingau nun fällt,
Fürst Metternich das Schloß jetzt erhält; Der Weinstock hat jeden Hügel erklommen; Doch im "Grunde" hat man was anders ersonnen: Baut Pressen, schafft Wohlstand für Land und für Leut Und der Ruhm geht hinaus, ein Segen für heut.

Wir wurden nun Preußen und Deutsches Reich, Johannisberg einem Stückchen Paradiese fast gleich - Dann - im August, jener Schicksalsstrahl - Begrub Wohlstand und Leben (davon ein andermal) In Würde und Freiheit der Mensch gleich dem Wurme; Das Schicksal greift hinauf - bis zum Glockenturme.

Wenn ich das Erzählte von oben geschaut,
- Wir waren drei Schwestern, wir läuteten traut;
Wir riefen zum Beten, wir läuteten zu Grab,
Wir warnten Euch ängstlich, wenn bedroht unsere Hab'.
-Jetzt rufe allein ich: 0, So helfe doch auch mir!
Wie hänge ich einsam, vertrauere hier.

Wer recht versteht die Glockensprache Der wird verstehen auch meine Klage: - Gar manche Glocke im deutschen Land, Den Weg zu ihrem Turme schon fand - Ich aber rufe noch einsam hier: Helft mir, helft mir, helft mir !.
   
 
Johannisberger Anekdote:

 

     
Rheingauer Gedicht: Hedwig Witte

Schriftlisch wolle mersch hun!

Als die Rheingauer sich bei der Revolution verspäteten

'S war achtzehhunnertachtunverzich LIII, \\er die Sach nit glaabt, der errt sich. Uffein Schloßplatz in Wissbade war Mords-Krawal, die Ländchesbauern, die Wissbadener all hun geeche die Obrigkeit revoldiert un for die Freiheit demonschdriert. Sie hun gekrische un gezuchtelt un wild in de Luft erumgefuchtelt: «Mehr Sitz wolle mir im Parlament un Pressefreiheit!» hun se geschennt, «Steuerfreiheit un Schutz der Person! Ebbei demit - sunst gibts Revolution!» Un si hawwe en Babicr mit Sticker si~\,\N,c Forderungsartikel uffgeschriwwe. De Herzog hot des Babier studiert, mit seine Minister dischgediert, hot laut darin verkünnicht vum Schloß-Balkon: «Geht heim - zu Ende ist die Revolution. Was Ihr verlangt, haben wir gebilligt und Eure Forderungen bewilligt.» Do gabs uff dem Schloßplatz en Hurra-Gekrisch un en JUbel un Trubel eanz ferchterlich. Un wie de Markt war schont halb verloffe, is die Rheingauer Abordnung - dreivertelsIbesoffe, vor'm Schloßballkon grad ingetroffe. Mit Dreschflehl un Sense kaame se oa Lin war'n nit mehr ganz kurant uff de Boa. Von Lorch bis Walluf warn ere debei. Jed Ort, wo se dorchkaame, schenkt en ei den siwwenunverzicher Rachebutzer, so recht en Woi für Revoluzzer.Der bracht se erscht rischtich in die Raasch. «In Wissbade die Lumbe-Bagaasch Liff de Reschierung, die duhn mir vertreiwe. Awwer unser Herzoch ... dar muß bleiwe!» So hawwe ganz laut die Uffrührerische Rheingauer Bercher alsfort gekrische. Der Herzog rief von seinem Balkon: «Was will denn noch diese Deputation? Ihr kommt zu spät zur Revolution!» Do meente se nur ganz beklomme: «Halte Zu Gnade, mir sein ewe erscht komme un hawwe Ihne Ihr Worte garnit vernomme.»

«Was ists denn, ihr Rheingauer, was Ihr begehrt?> «Herr Herzoch, mir hun jo garnix geheert. Es is uns werklich ganz entgange, was die Wissbadener dahte verlange un hawwc's wahrscheins aach vun Ihne empfange. Awwer hawwe, Herr Herzoch - ohne Frag! hawwe wolle mersch nadierlich aach!»

Da hat der Herzog einmal gelächelt und sich mit dem Halstuch Luft zugefächelt. «Nun, liebe Rheingauer, beruhigt Euch! Mein Wort gilt in ganz Nassau gleich.» Do daht der Anführer vun dere Kippe tiff den goldene Löwebrunne hippe. «Geredd is ganz gut - doch besser is geschribbe! Gehorsamst mit Verlaub un Gunn ... Schriftlisch, Herr Herzoch, wolle mersch hun!
 

     
Johannisberger Anekdote:
© Rudolf Edinger - Förderkreis Weindorf Johannisberg e.V.